Geschlossener Hof und Vorkaufsrecht: Was das Höfegesetz vorsieht – ein praktisches Beispiel
Andreas Leiter
Der Bergbauernhof von Bauer K., hoch gelegen auf 1.300 Metern, ist ein geschlossener Hof. Angrenzend an den Hof von Bauer K. befindet sich ein weiterer geschlossener Hof. Der Nachbar hat diesen bislang als selbstbebauender Landwirt selbst bewirtschaftet. Nun aber hat er unerwartet den gesamten Hof an eine ortsfremde Familie verkauft. Bauer K., der Interesse an der Erweiterung seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche hatte, fragt nun, ob ihm das Höfegesetz nicht ein Vorkaufsrecht zuerkennt.
Rechtsanwalt Andreas Leiter: Ein geschlossener Hof ist eine Einheit aus Wohn- und Wirtschaftsgebäude samt landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücken. Das Höfegesetz zielt darauf ab, diese Einheit zu bewahren und die Zersplitterung der Agrarflächen zu verhindern. Das Vorkaufsrecht bei Agrarflächen ist ein allgemeines Rechtsinstrument. Es gilt für ganz Italien und ist nicht eine “südtiroler” Besonderheit. Es soll die Zusammenführung von Agrarflächen begünstigen, um so die Bebauung und Bewirtschaftung zu vereinfachen und effizienter zu gestalten. Daher wird ein Vorkaufsrecht beim Verkauf eines Feldes zum Beispiel dem Pächter oder dem angrenzenden Nachbarn zugestanden.
Somit schränken das Höfegesetz einerseits und das landwirtschaftliche Vorkaufsrecht andererseits den freien Verkauf von Grundstücken ein, um die Landwirtschaft und den Erhalt von Agrarflächen zu fördern.
Wer kann zum Beispiel ein Vorkaufsrecht ausüben? Ein mitarbeitendes Familienmitglied hat Vorrang vor anderen potenziellen Käufern. Ein Pächter eines geschlossenen Hofes hat auch dann ein Vorkaufsrecht, wenn er nur einen Teil des Hofes gepachtet hat. Bei mehreren Pächtern, die das Vorkaufsrecht geltend machen könnten, gibt das Höfegesetz Kriterien vor, welchem Pächter der Vorzug zu geben ist. Gibt es keinen Pächter, kann unter bestimmten Umständen der angrenzende Nachbar ein Vorkaufsrecht haben. Er muss jedoch ein selbstbebauender Landwirt sein und sein angrenzendes Grundstück konkret landwirtschaftlich nutzen.
Wichtig: Ein Vorkaufsrecht gilt in jedem Fall auch nur bei einem Kauf, nicht bei anderen Verträgen wie Tausch oder Schenkung.
Die Regelungen des Höfegesetzes und das Vorkaufsrecht sind komplexe Themen, bei denen jeder Einzelfall individuell geprüft werden muss. Im speziellen Fall von Bauer K. jedoch kann eine eindeutige und klare Antwort gegeben werden: das das Höfegesetz sieht leider ausdrücklich kein Vorkaufsrecht vor, wenn sein Nachbar den gesamten geschlossenen Hof verkauft hat. Denn die Bestimmung des Art. 10 Abs. 5 des Höfegesetzes sieht vor, dass bei Verkauf eines geschlossenen Hofes kein Vorkaufsrecht für angrenzende Nachbarn besteht.
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(Stand 1. August 2023)